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Mittwoch, 20. März 2013

Billigesser im Zürcher Prekariat

4 Franke 35


Ich stehe in in einer Kolonne
in einem Coop
in downtonw Zürich.
Ein Mann in prekärer Kleidung
zahlt für seinen Kauf

4 Franken 35

Für eine Flasche Wein, 7.5 dl.
ein Paar Cervalat
ein Brot.

4 Franken 35

Ein Preis, für den man
in downtown Zürich kaum einen
trinkbaren Café Crème bekommt.

4 Franken 35

Für eine kargste Mahlzeit, bei der Mann
sich betrinken kann.

4 Franken 35

Wir sind schon gerüstet für das Prekariat.

Und es werden
immer mehr Leute
in dieses Prekariat
abgedrängt.

Coop hat sich darauf eingestellt.

Ein lautloser, stiller, aber unverkennbarer Trend.

Eine neue Variante der Billigesser von Thomas Bernhard?

Sonntag, 10. März 2013

Swatch: Tractatus Logico-Philosophicus estupidus



Ware Swissness
(oder: Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt *)


Mit dem Geschäftsbericht 2012 auf Schweizerdeutsch will Swatch uns etwas aufrütteln. Eines lässt sich mit Bestimmtheit sagen: Der Swatch-Konzern macht bessere Uhren als Geschäftsberichte auf Schweizerdeutsch. Provokationen sind sehr gut, solche auf hohem Niveau wie die Swatch-Uhren, sowieso. Provozieren in schweizerdeutscher Sprache – das ist – wie ein paar abschreckende  Beispiele zeigen, schwieriger zu erreichen, als ein Präzisionsuhrwerk mit allen Rafinessen zusammen zu bauen.
 

Hier der Selbstanspruch von Swatch:

 
(…) Für die Schweizer Leserinnen und Leser hält dieser Geschaftsbericht eine weitere Überraschung bereit: Dr Gschäftbricht in Schwiizerdütsch! Wir wollen unsere starke Identifikation mit unserem Land und seinen Werten noch mehr unterstreichen.Dazu gehören Verlässlichkeit, die hohe Qualität in der Ausführung, Intelligenz, aber hauptsachlich Vielfalt, Einfachheit und Bescheidenheit. In diesem Sinn und Geist haben wir wieder einmal etwas positiv Provokatives gemacht: Wir haben die deutsche Version unseres Geschäftsberichts von A bis Z mit einer schweizerdeutschen Version ersetzt! Das ist wahre Swissness, mit der wir unsere Landsleute ein bisschen aufrütteln, die manchmal zur eher konventionellen Seite neigen, die vor allem auf ihre Sicherheit bedacht sind und schon vorsichtig und bequem durchs Leben gehen wollen. Wir verstehen das als positive Provokation, ganz im Stil von Swatch Group. (…)

… und da, wenn eine an sich tolle Idee daneben glückt:


Dä Gsamtbetrag vo dä im Lauf vo dä Schperrfrischt z verbuechändä Choschtä beschtimmt sich nach äm Verchehrswärt vo dä gwährtä Optionä (Berächnig nach äm «Black-Scholes»-Modäll), abzüglich dä Effekt vo nöd mit äm Markt zämmehängändä Usüebigsbedingigä.

*
Dä verwässärndi Effekt vo dä usgäbänä Optionä zeigt sich als zuesätzlichi Verwässerig i dä Berächnig vom Gwünn je Aktiä.

*
Viel Beachtig i de Medie hat d’Marke aber au übercho bi de Eröffnig vo nöiie Boutiqa sowie dank de grossere Presänz im Golfsport, em ernöite Engagement bi soziale Projekt rund um d’Wält.

*

Roboter tüend sich wiederholendi Arbetsschritt erledige, während Uufgabe, wo meh Können und e mänschlichi Note erfodered, vo Hand uusgfüehrt werded. 

*

im Juni isch de vo Omega produzierti Film Planet Ocean vo de Regisseure Yann Arthus-Bertrand und Michael Pitiot am Waltgipfel vo Rio und nacher au während de olympische Spiil im Omega House in London zeigt worde…..

*

Dä Konzärn verfüegt über än ateilsbasiertä Vergüetigsplan mit Usglich dur Eigäkapitalinschtrumänt.

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Nach dä Beschtimmigä vo däm Plan erhaltä Arbeitnähmer, wo sich während äm Jahr durch bsunders schtarchs Engagement oder überdurchschnittlichi Leischtigä uszeichnät händ, ä bschtimmti Zahl vo Aktienoptionä.

*
Dä Fair Value für diä im Gägäzug zur Usgab vo dä Optionä erbrachtä Mitarbeiterleischtigä wird als Ufwand verbuecht.

Nöd mit äm Markt zämmehängändi Usüebigsbedingigä fliessä i d Anahmä beträffänd dä Azahl Optionä ii, wo vorussichtlich usüebbar wärdäd.

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Zu jedäm Bilanzschtichtag überarbeität dä Konzärn diä Schätzigä beträffänd dä Azahl vo dä vorussichtlich usüebbar wärdändä Optionä.

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D’Uswirkigä vonärä Korrektur vo dä urschprünglichä Schätzigä wärdäd gäbänänfalls erfolgswirksam verbuecht und än entsprächändi Berichtigung vom Eigäkapital vorgnoh.

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Bir Usüebig vo dä Optionä wärdäd diä iigangänä Erlös abzüglich diräkt zueordäbarer Transaktions-Chöschte äm Eigäkapital vom Konzärn zuegrächnät.

*
Um d Volatilität im Zämmehang mit dänä Risikä z kontrollierä, setzt dä Konzärn ä Reihi vo derivativä Finanzinschtrumänt ii.

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Sensitivitätsanalysä vom Wächselkursrisiko

*
Zu dä Finanzinschtrumänt, wo Wächselkursrisikä unterliegä, zählät Forderigä us Lieferige und Leischtige, sonschtige Forderige,
Verbindlichkeitä us Lieferigä und Leischtigä, sonschtigi Verbindlichkeitä, Finanzverbindlichkeitä, Derivat, Wärtschriftä, flüssigi Mittel und gäldnachi *
Finanzalagä. Drunder fallä sowohl Transaktionä mit Drittä als au konzärninterni Transaktionä.

*
Dä Umfang vo dä Risikä gägänüber Veränderigä vo dä Wächselkürs cha erhäblich schwankä. Dahär schtellt diä Situation zum Bilanzschtichtag under Umschtänd kei repräsentativs Bild für dä Durchschnitt vom Abrächnigszitrum dar.

*

Zur Veraschaulichung lassät sich diä Uswirkigä vo möglichä Veränderigä vo dä Wächselkürs uf dä Gwünn nach Schtürä wiä folgt zämmefassä:

Fazit:

Wer Komplexität einfach, verständlich und kommunizierbar machen will, muss schwer in die Kasse greifen… für Schweizerdeutsch. Swatch hat den Aldi-Weg, den Billigweg, die Improvisation, den Effekt, das Peinliche gewählt. Schade, für die an sich tolle, spannende und originelle Idee.

*

PD: Ludwig Wittgenstein:
* Tractatus Logico-Philosophicus

(...) Die Welt ist alles, was der Fall ist. Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge. Die Welt ist durch die Tatsachen bestimmt und dadurch, dass es alle Tatsachen sind. Denn die Gesamtheit der Tatsachen bestimmt, was der Fall ist und auch, was alles nicht der Fall ist. Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt. Die Welt zerfällt in Tatsachen (...).






Dienstag, 5. März 2013

Das Ende eines Klassikers

       Billy ade

Mancher kennt ihn, manche hat ihn; den Billy, dieses Ikea-Büchergestell, das vielleicht weltweit am meisten verkaufte. Mit dubiosen Schrauben und Muffen zusammengehalten, steht der Spanplatten-Klassiker in unzähligen Studentenbuden, in Familienwohnungen, in Keller, Schober, Lagern und Dachböden - überall dort, wo das Stapeln, Stellen, Legen und Ordnen eine gewisse Priorität hat - und nicht viel kosten darf. Dann kommt bei manch  alternder Seele ein Lebensabschnitt, wo Innenausstattungen aus Spanplatten und Ikea nicht mehr richtig zum Style, zum Lebensgefühl passen. Billy muss raus! Ich gehe in Zürich durch ein nobleres Viertel. Es ist schon beinahe am Einnachten, und die Umzugstermine stehen an. Zwei Herren, ich schätze sie knapp über dreissig, treten mit einem schwarzen Billy ins Bild. Sie tragen das Regal lachend aber wie ein Sarg aus dem Haus, öffnen die Tür des Vorgartens, tragen Billy auf das Trottoir, stellen ihn behutsam auf den Asphalt. Die beiden Herren unterhalten sich im Halbdunkel angeregt und gut gelaunt. Morgen wird die Kehrichtabfuhr kommen, Billy zermalmen. Die beiden Herren stehen neben dem Regal, lachen, reden, lachen. Plötzlich und aus dem Nichts, versetzt einer den beiden Gestalten dem aufrechten, intakten Billy einen forschen Fusstritt, ohne Emotion, fast beiläufig, als wollte er dem Möbelstück nicht weh tun. Billy kippt um, sackt in sich zusammen, seine Seitenwände knallen auf den Asphalt, etwas Staub und Sägemehl wirbelt für einen Augenblick auf. Billy ist erledigt, Sperrgut. Für die beiden Herren beginnt ein neuer Lebensabschnitt, an einem neuen Ort, ohne Billy, mit neuen, noblen Regalen und mit einem neuen Style.